International
Digitale Primärversorgung in anderen Ländern
In fünf Primärversorgungspraxen in Manitoba wurden 57 Interviews und vier Diskussionsgruppen durchgeführt. Die Ergebnisse zeigten, dass die EPA-Nutzungsraten auf einer Skala von 0 bis 5 zwischen 2,3 und 3,0 lagen. Besonders niedrig war die Nutzung von Entscheidungsunterstützungssystemen, der Bereitstellung von Patientenzugriff auf eigene Daten und von Praxis-Reporting-Tools. Hindernisse für die vollständige Nutzung der EPA waren unter anderem Implementierungsprobleme, unzureichende eHealth-Infrastruktur, mangelndes Bewusstsein für EPA-Funktionen und schlechte Datenqualität. Viele Ärzte nutzten ihre EPA lediglich als “elektronische Papierakten” und schöpften deren Potenzial nicht aus. Die Studie empfiehlt Bildungs- und Qualitätsverbesserungsmaßnahmen, um die Datenqualität zu erhöhen und die Nutzung der EPA zu optimieren. (Price, Singer, und Kim 2013)
Die Studie “The informatics capability maturity of integrated primary care centres in Australia” untersucht, wie gut integrierte Primärversorgungszentren in Australien Informationen sammeln, verwalten und teilen sowie eHealth-Technologien implementieren. Die Ergebnisse zeigen, dass diese Zentren unterschiedliche Modelle in Bezug auf Finanzierung, Eigentum, Führung und Organisation aufweisen. Der Einsatz digitaler Werkzeuge zur Datensammlung und -nutzung variiert, wobei Probleme bei der Konnektivität und dem Fehlen technischer Standards die Datenintegration und -weitergabe erschweren. (Liaw u. a. 2017)
Eine Studie von Haverinen et al. untersuchte die Entwicklung der Digitalisierung in Finnland. Die größte Entwicklung der E-Health-Reife fand zwischen 2011 und 2014 statt, wobei die Entwicklung danach fortgesetzt wurde und einige Indikatoren bereits den maximalen Nutzungsgrad erreicht haben. Die primäre Gesundheitsversorgung hinkt in der Entwicklung hinter der spezialisierten Versorgung her. Es wurden regionale Unterschiede zwischen den finnischen Krankenhausbezirken festgestellt. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass E-Health in Finnland durch nationale Strategien und gesetzliche Änderungen kontinuierlich gefördert wurde. Einige Funktionen haben bereits eine 100%-ige Nutzung erreicht, aber es besteht noch Entwicklungspotenzial, insbesondere in der primären Gesundheitsversorgung. Die Studie untersuchte die Entwicklung der E-Health-Reife in Finnland von 2011 bis 2020, sowohl im Bereich der primären Gesundheitsversorgung als auch der spezialisierten Versorgung. Daten wurden durch webbasierte Fragebögen im Rahmen von Umfragen zur Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologie im finnischen Gesundheitswesen erhoben. Es wurden insgesamt 16 Indikatoren verwendet, die die Verfügbarkeit und Nutzung von elektronischen Patientenakten, Bildarchivierungssystemen, Gesundheitsinformationsaustausch und anderen wichtigen E-Health-Funktionen beschrieben. (Haverinen u. a. 2022)
Wie digital ist das deutsche Gesundheitswesen im internationalen Vergleich?
Deutschland befindet sich laut dem Global Digital Health Monitor (GDHM, Stand Mai 2023) in Phase 5 der digitalen Gesundheit und zeigt Stärken in den Bereichen Führung und Governance, Gesetzgebung sowie Infrastruktur, mit Bewertungen von 5, insbesondere durch Datenschutz- und Datensicherheitsgesetze sowie Infrastruktur in über 75 % der Gesundheitseinrichtungen. Der private Sektor beteiligt sich systematisch an digitalen Gesundheitsaktivitäten (Score: 4), und Strategien zur Förderung von Gerechtigkeit und Menschenrechten in digitalen Gesundheitslösungen sind etabliert. Jedoch fehlen Daten für viele Indikatoren in den Bereichen Strategie und Investitionen, Arbeitskräfte, Standards und Interoperabilität sowie Dienste und Anwendungen.
Der Stand von eHealth in Deutschland hat sich laut der “2024 Digital Decade eHealth Indicator Study” im Vergleich zu 2022 deutlich verbessert. Fortschritte gibt es insbesondere in der Verfügbarkeit von elektronischen Gesundheitsakten und der Anbindung verschiedener Gesundheitsdienstleister an digitale Systeme. Dennoch bleibt der Zugang zu bestimmten Gesundheitsdaten, etwa zu medizinischen Bildern oder Daten von medizinischen Geräten, eingeschränkt. Ein weiteres Hindernis ist, dass private Gesundheitsdienstleister weniger gut vernetzt sind als öffentliche. Ambulante Einrichtungen sind weniger gut in digitale Systeme eingebunden als Krankenhäuser. Die Erhebung basiert auf einer Online-Umfrage, die von den zuständigen Behörden in jedem teilnehmenden Land ausgefüllt wird. Die Antworten spiegeln den Stand der Dinge zum 31. Dezember 2023 wider. Die Analyse erfolgt anhand von zwölf Teilindikatoren, die verschiedene Aspekte des digitalen Gesundheitswesens abdecken. Deutschland befindet sich im eHealth-Reifegrad im oberen Mittelfeld und wird als “Fast-Tracker” eingestuft. Die Umfrage zur Digitalisierung im Gesundheitswesen unterscheidet nicht explizit zwischen stationären und ambulanten Bereichen. Während größere Krankenhäuser meist an zentrale digitale Systeme angebunden sind, haben viele niedergelassene Ärzt*innen und private Einrichtungen noch keinen vollständigen digitalen Zugang. Öffentliche Krankenhäuser und Kliniken sind mit einer durchschnittlichen Vernetzungsrate von 74 % innerhalb der EU-27 besser in digitale Systeme integriert als ambulante Einrichtungen. Private Gesundheitsdienstleister, darunter viele ambulante Praxen, haben hingegen eine geringere Vernetzungsrate von nur 55 %. In Deutschland zeigt sich dieser Trend ebenfalls. (Commission u. a. 2024)
Die Bertelsmann-Studie “SmartHealthSystems: International comparison of digital strategies” untersucht die Digitalisierungsstrategien im Gesundheitswesen in 17 Ländern und zeigt, dass das deutsche Gesundheitssystem im internationalen Vergleich hinterherhinkt. Deutschland belegt im entwickelten Digital Health Index den 16. von 17 Plätzen der untersuchten Länder. Während in anderen Ländern die wichtigsten Patientendaten in elektronischen Gesundheitsakten gespeichert und Rezepte digital übermittelt werden, arbeitet Deutschland noch an den Grundlagen digitaler Gesundheitsnetze und tauscht Informationen hauptsächlich auf Papier aus. Die Studie stellt fest, dass in Deutschland die Anwendung intelligenter Algorithmen auf theoretischer Ebene diskutiert wird, während sie in Ländern wie Israel bereits zur Krebsfrüherkennung eingesetzt werden. Im Vergleich zu Ländern wie Dänemark, Israel oder Kanada, die in allen Bereichen deutlich höhere Werte aufweisen, sind Deutschlands Bewertungen, insbesondere in der tatsächlichen Datennutzung, sehr niedrig. Deutschland zeichnet sich zudem durch strenge Datenschutzbestimmungen und das Fehlen einer übergreifenden strategischen Ausrichtung aus, wobei finanzielle Anreize für die landesweite Einführung von digitalen Lösungen fehlen. (Thiel u. a. 2019)
Die Studie „The Digital Competitiveness of European Countries: A Multiple-Criteria Approach“ von Jelena J. Stankovic, Ivana Marjanovic, Sasa Drezgic und Zarko Popovic schlägt eine Methodik zur Messung der digitalen Wettbewerbsfähigkeit europäischer Länder vor, indem sie einen zusammengesetzten Index unter Verwendung von Multi-Kriterien-Analysen (CRITIC und TOPSIS) entwickelt. Basierend auf 13 Indikatoren aus der Eurostat-Datenbank wird die digitale Wettbewerbsfähigkeit von 30 europäischen Ländern bewertet, wobei nordische Länder die höchsten Werte erzielen, während osteuropäische Länder zurückliegen. Eine Cluster-Analyse zeigt zudem einen Zusammenhang zwischen digitaler Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftlicher Leistung, wobei Länder mit höherer digitaler Kompetenz auch bessere wirtschaftliche Ergebnisse aufweisen. Die Studie betont die Bedeutung der IKT-Nutzung in Unternehmen und liefert Entscheidungsträgern wertvolle Einblicke für die strategische Planung der digitalen Zukunft. (Stankovic u. a. 2021)
Sektorenübergreifende Elektronische Gesundheitsakte
Die gemeinsame Gesundheitsakte in Katalonien (HC3), Història Clínica Compartida de Catalunya, wurde 2008 eingeführ. Es integriert Daten aus Krankenhäusern, Primärversorgungszentren, Langzeitpflegeeinrichtungen, psychiatrischen Einrichtungen, Notfalldiensten, Apotheken und sozialen Pflegeeinrichtungen in ein zentrales System. HC3 konsolidiert Informationen aus mehreren elektronischen Patientenakten (EMRs) unter Verwendung internationaler Standards wie HL7-CDA, SNOMED-CT und LOINC, mit einem eindeutigen Patientenidentifikator. Der Zugang ist auf zugelassene öffentliche Anbieter über ein sicheres virtuelles privates Netzwerk beschränkt, mit einem dreistufigen Sicherheitskonzept für Rückverfolgbarkeit und rechtliche Konformität. HC3 hat sich von einem einfachen Datenrepositorium zu einem strategischen Instrument für ein integriertes, patientenzentriertes Versorgungsmodell entwickelt. (Solans Fernández u. a. 2017; Solans u. a. 2018; Solans 2020; Piera-Jiménez u. a. 2024; Piera-Jiménez und Carot-Sans 2025)
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